Quito
Mit dem Flieger ging es für mich von Santa Marta über Panama City nach Quito.
Alle, die sich in Erdkunde auskennen, werden hier sofort drei Probleme entdecken.
Na, wer weiß es?
Ich geb dir bisschen Zeit, das Rätsel zu lösen.
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OK. Ich hatte natürlich nichts hiervon auf dem Schirm.
1. Panama City liegt in der falschen Richtung (gut das hatte ich mitbekommen, da ich mich ja mühselig mit Motorboot und Einsatz meines Lebens durch die Wellen geschlagen hatte).
2. Quito liegt echt hoch in den Bergen (2800m) und Santa Marta dank Küstennähe echt niedrig am Meeresspiegel (es decir, 0 Meter). Das findet der Körper nicht so gut.
3. Siehe 2. und beachte, dass Ecuador (der Name ist ein Hinweis!) am Äquator liegt und es daher nur zwei Modi gibt: Regen - und Trockenzeit. Ich kam natürlich zur Regenzeit und in Kombi mit der Höhenlage erwies sich der Inhalt meines Rucksacks als extrem ungeeignet.
Dich überrascht vermutlich nicht, dass mich Punkt 2 und 3 überraschten. So kam ich keuchend und bibbernd in Ecuadors Hauptstadt an und musste erst Mal Haut und Lunge ad-äquadoren.
Sobald das geschafft war, gab es kein Halten mehr! Am nächsten Morgen machte ich erst Mal eine wirklich coole Stadtführung, die von einem Hostel in der Nähe organisiert wurde.
Hier lernte ich nicht nur Quito, sondern auch ein paar nette Menschen kennen und übte mich sogar mit dem Freund unseres Tourguides, Oscar, in Quichua, was dem Quechua sehr ähnlich ist. Ich lernte von ihm ein paar Worte, welche ich bald auf dem Markt in Otavalo anwenden können werde.
Hier sprechen noch einige Menschen Quichua und auch an der Kleiderwahl merkt man, dass Tradition hier weit verbreitet ist. Die Frauen fallen mit ihren schwarzen Hüten und den bunten Röcken besonders auf. Ansonsten hüllen sich alle in Ponchos und dicke Decken (letzteres wird auch zum Transport von Babies und Kleinkindern verwendet). Ich mache es den geübten Ortsansässigen nach und erstehe einen warmen Wollpullover und einen Poncho gegen die Kälte.
Im Museum der Stadt erfahre ich viel zu der Geschichte Quitos (sehr sehr zu empfehlen, falls du mal dort sein solltest!) und nachdem ich gefühlt hundert Treppen erklommen habe, konnte ich eine atemberaubende Aussicht auf Quito von der dortigen Basilica genießen. Die Basilica markiert den Norden der Altstadt, während in genauer Linie südlich davon die Jungfrau Maria von einem Berg herunter schaut. So kann man sich nie verlieren!
Im Gegensatz zur Basilica sollte man aber auf keinen Fall zur Maria hochlaufen, weil man da ausgeraubt wird. Leider traf ich später einige Touris, die das nicht wussten, und die nun handylos und traurig von der nicht religiösen Begegnung auf dem Weg zur Gottesmutter berichten.
Als ich in Quito ankam, merkte ich sofort, dass es schwer war, zu atmen. Nach einem Tag hatte ich mich aber ein bisschen daran gewöhnt und machte mich daraufhin mit der Finnin Saara, die ich auf der Stadtführung kennen gelernt habe, auf zu einer der Touristenattraktionen Quitos: dem Teleférico.
Der Teleférico ist eine Seilbahn, die neben der Stadt auf einen Vulkan hoch führt und eine tolle Aussicht verspricht. Ebenso soll man von dort den Gipfel des Vulkans besteigen können. Wir machten uns morgens auf den Weg, da zu dem Zeitpunkt das Wetter meistens am besten ist. Leider nicht so an diesem Tag - eine dicke Nebelsuppe begleitete uns bereits auf der Taxifahrt hin zur Seilbahn. Der Uber Fahrer ließ uns auf den verlassenen Weg zur Seilbahn raus und wir durchquerten einen gruseligen, menschenleeren (aber in Betrieb genommenen) Vergnügungspark, der sich hervorragend für meinen nächsten Psychothriller der klassischen Filmreihe Cold Case - kalter Käse III eignen würde. Zombies sahen wir keine, lag aber eventuell am dichten Nebel. Nun gut - wir stapften mutig weiter und erstanden das Ticket für unsere luftige Unternehmung.
Die Seilbahnbetreiber nahmen ihren Job sehr Ernst und ließen uns erst Mal wissen, dass sie für nichts verantwortlich seien, was oben am Berg oder nach Verlassen der gruseligen Station geschieht. (Das macht Mut!)
Dann steckten sie uns mit zwei weiteren Männern in eine Gondel zusammen. Erst nervte es mich, weil sonst einfach niemand unterwegs war, dann freute es mich, weil die beiden echt lustig waren. Es handelte sich um zwei Argentinier, die nach Uvita (siehe Kapitel Costa Rica!) ausgewandert waren und Dokumentarfilme drehten. Die beiden Brüder hatten lustige Geschichten, einen dicken argentinischen Akzent und Coca Blätter in der Tasche. Oben angekommen, beschlossen wir vor der Wanderung erst Mal nen Cafecito zu trinken (außer mir hatte außerdem keiner gefrühstückt). Es war mittlerweile 11:30am. Dann fragten wir, wie lange es zum Gipfel dauern würde - 4 Stunden hin und 3 zurück, so die Antwort. Saara und einer der Brüder waren sofort raus und meinten, dass wir nur ein Stückchen laufen sollten. Ich stimmte dem zu, denn ich bin ja vernünftig und es wird dunkel und regnen, da macht man sowas nicht. Außerdem ist es nicht empfehlenswert, direkt nach der Ankunft eine Wanderung in solcher Höhe zu machen.
Es kam wie es kommen musste. Wir starteten die Wanderung und während Saara und Sebastián nach einer Stunde umkehrten, sahen Luciano und ich uns tief in die Augen und beschlossen, den Aufstieg zu wagen.
Siempre hay un roto para un descocido!
Es war echt hart. Das Atmen fiel schwer, jeder Schritt fühlte sich an, als würde man Blei an den Füßen herumschleppen und der nasskalte Nebel tat sein Übriges. Aber wir schafften es! Nach Irrungen und Wirrungen am Gipfel hatten wir unser Ziel erreicht und sahen außer zwei edlen Vögeln (weiß jemand was das ist?) nichts. Trotzdem waren wir stolz wie Bolle und ich auf meinem bisher höchsten Gipfel.
Auf dem Rückweg tranken wir heiße Schokolade, ein süßes Zimtgetränk und aßen Mais, bevor uns ein Taxibus vom Gruselpark zurück in die Stadt brachte.
Cotopaxi
Als ich in Ecuador ankam, hatte ich noch keinen wirklichen plan, was ich wann machen wollte. So fühlte ich mich ein bisschen überfordert, was meine nächsten Stationen angingen. Denn im Gegensatz zu den Ländern vorher hatte ich nun einen Abreisetermin und musste ein bisschen überlegen, was ich alles in der Zeit machen wollte und wie ich am besten am 28.3. wieder in Quito sein könnte, bereit zum Abflug.
Ich beschloss einer Empfehlung zu folgen und mich ins Hostel Secret Garden Cotopaxi einzubuchen. Das Hostel ist sehr teuer und sehr berühmt. Alle Mahlzeiten sind inklusive und man unternimmt jeden Tag etwas gemeinsam im Cotopaxi Nationalpark.
Nachdem das Shuttle uns aus Quito zum Hostel gebracht hatte, zogen wir uns alle Gummistiefel an und machten eine Wanderung durch einen Fluss zu zwei Wasserfällen. Begleitet wurden wir von zwei der Hostelhunde, die sich überaus fotogen positionierten und Lotti Konkurrenz machten. Zwei mutige Seelen sprangen sogar ins Wasser (Männer, nicht Hunde).
Abends wurde gemeinsam gegessen und zusammen gechillt (das führte bald zu Problemen - mehr dazu später!)
Am nächsten Tag machten wir einen Ausflug zum Vulkan Pasochoa (neblig). Der Weg war so matschig, dass wir alles mit Gummistiefeln erledigten.
Das Hostel war wirklich etwas ganz besonderes. Die Aussicht auf die Vulkane Sincholagua, Cotopaxi, Rumiñahui und el Corazón waren bei gutem Wetter atemberaubend und die Lamas auf der Wiese, die wie wild angelaufen kamen, wenn man etwas annähernd ähnliches wie eine Bananenschale in der Hand hielt, gaben klasse Fotomotive her.
Am darauf folgenden Tag schrieb ich mich in die Aktivität zur Besteigung des Vulkans Sincholagua ein. Eigentlich wollte ich Cotopaxi machen, den Klassiker, vor allem nachdem ich den Vulkan in Panama wegen meiner Erkältung habe ausfallen lassen müssen. Cotopaxi erreicht man nämlich auch bei Sonnenaufgang. Nun ist der gute Vulkan aber aktiv (ich sah als Beweis den Rauch aufsteigen) und daher gesperrt, man kann nur bis zum Basecamp bzw Gletscherbeginn hoch.
Da hört sich Sincholagua irgendwie spannender und herausfordernder an (und auf der Liste der Aktivitäten stand, dass das der aufregendste und schwierigste Ausflug war). Sold! 🤝
Ich konnte ein paar andere Nasen überreden (man musste mindestens drei zusammen bekommen) und so machten wir uns am nächsten Morgen um 5 Uhr auf den Weg.
Vom Weg dort hin stand übrigens nichts auf der Beschreibung der Tour. Die war, meiner Meinung nach, das abenteuerlichste an dem Ganzen. Der Jeep versank komplett im Schlamm und wir schlitterten mehr schlecht als recht die "Straße" zum Vulkan entlang, bis auch das nicht mehr ging. Nachdem wir rückwärts einen Berg heruntergerutscht waren (!) und einmal bereits einen Reifen repariert hatten (es war zu dem Zeitpunkt 6:30h), packte unser Guide Darwin seine Machete aus (wer hat sowas im Auto?) und fing an, Gras zu schneiden. Wir sammelten das Gras brav ein und bauten damit einen neuen Weg durch den Matsch. Ich sah das alles etwas kritisch. Irgendwann befand Darwin, dass wir nun eine geeignete Straße hatten, und stieg in den 4x4.
Und siehe da - mit Vollgas und heftiger Schiefstellung schaffte er es den Berg hoch! Der Jubel war immens. Die Alternative war nämlich, dass sich unsere Route um jeweils 2 Stunden vorne und hinten verlängerte.
So standen wir schon bald bereit, um unsere Tour auf den Vulkan zu starten.
Sincholagua ist deshalb so cool, weil man die letzten Meter auf einer senkrechten Steinwand hochklettert. Aber auch der Weg dorthin war sehr eindrucksvoll, es gab viele Kraxeleinlagen und das alles auf schwindelerregender Höhe. Am Ende befanden wir uns auf 4900m über dem Meeresspiegel und hatten dank kurzer Wolkenlöcher auch eine echt schöne Aussicht.
Ich war im Gegensatz zu den anderen denkbar schlecht ausgestattet und stapfte in Schlafsocken und mit Strandtuch auf dem Kopf los, während die Guides mich aus ihren Daunenjacken kopfschüttelnd anstarrten.
Zurück im Hostel wurde eines klar - es ging eine fiese Magen-Darm Grippe herum. In der Nacht zuvor hatten bereits einige durchgekotzt und aus unserer Gruppe hatte es auch jemanden erwischt. Nun ist die Höhenkrankheit einer Magen-Darm Grippe sehr ähnlich, sodass wir nicht so recht wussten, was los war. Da aber fast alle aus dem Hostel grün im Gesicht waren und es gerüchteweise hieß, dass ein Arzt dies bestätigt hatte (urban legend said salmonella), bestätigt sich der Verdacht.
Ich kam noch trockenen Halses nach Latacunga, dann ging es los.
Latacunga
Latacunga war scheiße. Lag nicht nur am Magen Darm Infekt, sondern auch am Vibe der Stadt. Irgendwie wurde ich null warm mit dem Ort, mein Hostel roch komisch und es gab nirgends was Gescheites zum Essen (als es noch aktuell war). Aus gegebenem Anlass erübrigte sich Letzteres ohnehin nach einer Weile.
Mir ging es so schlecht, dass ich nach einer schlimmen Nacht am nächsten Tag nicht aus dem Bett kam. Sogar zum Zimmer-Verlängern fehlte mir die Kraft und ich musste der Ama de Casa per WhatsApp schreiben, dass ich krank im Bett lag und dieses gerne weiterhin belegen würde.
Parallel mit mir litten andere Wanderer und so verschoben wird unseren geplanten Drei-Tage-Track um ein paar Stunden nach hinten: den Quilotoa Loop.
Quilotoa Loop
Drei Tage Wandern, wilde Schluchten, dramatische Himmelsformationen... Der Quilotoa Loop ist nicht ohne Grund für viele das Highlight ihres Ecuador Aufenthaltes. Vielleicht auch meiner - wobei Sincholagua noch ein bisschen höher und aufregender war ;-)
Kurz vorab: ich muss zugeben, dass ich mittlerweile im Travel Blues stecke. Nach fast vier Monaten Reisen merke ich, dass mir die Kraft ausgeht und ich langsam blind für die Schönheiten um mich herum werde. Mich überkommt nicht mehr das absolute Staunen, wenn ich in den Bergen bin, der Duft der Wildkräuter der Anden lässt mein Herz nicht mehr ganz so wild schlagen, wie es sonst der Fall gewesen wäre. Ich nehme immer noch alles war, ich weiß objektiv wie schön es ist und wie dankbar ich sein sollte, hier zu sein - aber mein Kopf fühlt sich voll und schwer an, meine Beine sind müde und mein Herz ein bisschen traurig. Ich hab wohl Heimweh und bin langsam bereit, das, was mich vor ein paar Monaten noch in die Ferne gejagt hat, wieder in die Arme zu schließen. (Keine Angst, das ist eine Metapher!)
Deshalb lasse ich hier die vielen schönen Fotos sprechen, da die Momente nicht zu 100% bei mir angekommen, verdaut und in enthusiastische Tinte gehüllt worden sind.
Der Quilotoa Loop wird klassischer Weise über drei Tage absolviert. Das tat ich auch, nachdem ich nach 24h meine fiese Krankheit überstanden hatte und mich wie Neugeboren fühlte. Etwas geistig umnachtet schien ich allerdings immer noch zu sein, denn AUS WELCHEM GRUND AUCH IMMER beschloss ich, meinen großen Reiserucksack - nicht wenig bepackt - auf diese Wanderung zu nehmen. Mit dabei waren daher meine lustigen Freunde Reiseföhn, Poncho, diverses Schuhwerk, Reiseführer und Urlaubslektüre. Eine sehr große und sehr schwere Limette fand sich ebenfalls in einer Tüte.
Aber nachdem ich im Bus nach Sigchos, dem Anfangspunkt des Trails, saß, ließ sich diese Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.
Der erste Teil der Reise war der leichteste. Ich gönnte meinem komplett leeren Körper erst Mal ein Käsebrot und machte mich dann alleine auf den Weg. Es ging recht seicht durch ein paar Schluchten und außer ein, zwei Wanderern und ein paar netten Schafen begegnete ich niemandem, bis ich in meiner ersten Unterkunft, Llullu Llama (große Empfehlung!!) ankam.
Im Hostel ließ es sich wunderschön entspannen und ich traf neue und alte Freunde, mit denen ich meine Wanderung am nächsten Tag teilweiser forsetzte.
Leider konnte ich immer noch kaum etwas essen; das, gepaart mit ca 10kg Rucksack auf meinem Rücken, machten Tag 2 zum für mich Härtesten. Ich wanderte mit Mathjes und Tess auf Holland und hielt die beiden definitiv zurück (wobei ich Tess' Lunch im Rucksack hatte, deshalb konnte sie nicht weglaufen).
Die Landschaft machte aber einiges wett, riesige Schluchten wechselten sich mit moosbewachsenen Pfaden am Fluss ab, auf denen unsere Füße weich abfederten.
Nach einer Nacht in Chugchilan (Disclaimer - ich muss diese Orte IMMER nachlesen, da ich sie mir partout nicht merken kann) ging es mit Tag drei - dem objektiv härtesten Abschnitt - weiter. 12km lang bergauf laufen, um schließlich zum Kratersee des erloschenen Vulkans Quilotoa zu gelangen.
Ich wusste um die Herausforderung und haute mir eine von Julias Elektrolyt Packungen (DANKE guapa) sowie 2kg Pancakes zum Frühstück rein. Die fiese Limone wurde ausgepresst und alle Überreste zurück gelassen. Das leichteste Lunch wurde geordert. Übrig gebliebener Zwieback wurde an eine andere, erkrankte Reisende aus Deutschland weitergegeben. Die Bedingungen waren so gut wie unter den gegebenen Umständen machbar!
Ich entschloss mich außerdem, alleine zu wandern, da ich die Ruhe in den Bergen genieße und ich so in meinem Tempo, mit meinen Gedanken losziehen konnte.
So der Plan - Gesellschaft hatte ich trotzdem, und zwar von einem wirklich muskelbepackten Hund, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte, mich anstupste und bis nach Quilotoa mit mir wanderte.
War vermutlich seine Pick-Up Line, um beim beliebten See Lunch-Spot Futter zu schnorren (es funktioniert).
Kurz vor dem Gipfel traf ich noch auf ein paar Freunde aus dem Hostel, was schön war, da wir so den atemberaubenden Anblick gemeinsam teilen konnten.
Es war auch praktisch, da wir uns ziemlich verliefen, nachdem wir vom See zum kleinen Ort Quilotoa laufen wollten. Anstatt schön gemütlich auf dem Bergkamm zu wandern, kämpften wir uns in energischer Schieflage an der Seite des Vulkans entlang und waren teilweise so verzweifelt, dass wir den Hund nach seiner Meinung fragten (er musste es doch wissen?!).
Als wir schließlich ankamen und uns alle nen Schnaps oder ein Bier einstellten, waren wir absolut fix und fertig und hatten keine Lust mehr, jemals wieder irgendwo hin zu wandern, geschweige denn die Streberversion der Wanderung zu vollenden (den See zu umrunden, weitere 3h). Außerdem war St Patrick's Day und ein bisschen Alkohol bei grüner See-View mehr als angebracht (unter meinen mutigen MitwanderInnen befanden sich zwei Iren).
Und so tranken wir und nahmen abends den Bus zurück nach -uurgh - Latacunga.
Baños
Baños bezieht sich nicht auf das stille Örtchen eines Restaurants, sondern auf eine sehr touristische Stadt, pittoresk zwischen riesigen Bergen gelegen.
Ich hatte bereits einen drei - Tages -Trip in den Amazonías gebucht und wusste nicht so recht, wie ich die Zeit dazwischen füllen sollte (siehe Reise Blues). Da ich mich nicht so energiegeladen fühlte, verwarf ich meinen Plan, kurz nach Cuenca und an die Küste zu fahren und entschied mich stattdessen, etwas länger in Baños zu bleiben und ein paar Tage zu chillen.
Es stellte sich heraus, dass das eine sehr glückliche Entscheidung war. Denn genau an dem Tag wurde Ecuador leider vom stärksten Erdbeben seit der Katastrophe 2016 erschüttert.
In Cuenca und an der Küste kamen einige Menschen ums Leben. So schön die vulkandurchzogene Landschaft hier ist, so fruchtbar der Boden - es ist ein gefährliches Pflaster. Ich bin immer noch ziemlich geschockt und denke an alle, die nicht so glücklich hinwegkamen, wie ich.
Hier also zur Beruhigung, falls du dir Sorgen gemacht hast - ich bin weit weg vom Unglück gewesen und wohlauf.
Jetzt habe ich ein paar Tage in Baños vor mir - neue Updates folgen sobald erlebt :)
Baños - die Stadt der Aktivitäten
Nun war ich also eine Weile in Baños - was könnte ich so lange dort unternehmen? Die ersten beiden Tage einfach nichts. Ich hing in verschiedenen Cafés der Stadt ab, schrieb die obigen Paragraphen für dich und trank ungesund hohe Mengen an Kaffee. Das schöne ist, dass man neben hohen Kaffeerechnungen so auch ein paar neue und alte Freunde und weitere spannende Begegnungen einsammelt.
Baños ist eine interessante Stadt. Sie ist voller Touristen und an sich ein bisschen befremdlich, mit ihren 200 Tour-Anbietern an jeder Ecke und einem viel zu sicheren Vibe. Wenn du noch nie in Baños warst: es ist so bisschen wie das ecuardorianische Mittenwald. Wenn du noch nie in Mittenwald warst: buche JETZT deinen Zug und schick mir deine Verbindung, wir gehen wandern. In der Stadt selbst ist außer Cafés und Bars nicht wirklich viel los, was aber sehr schön ist, ist alles drumrum. Die Stadt ist umrandet von riesigen Bergen und an mindestens zwei Stellen hängt ein riesen Wasserfall vorm Ortsschild (erwarte dieses Detail aber nicht in Mittenwald).
Über mein Hostel (große Empfehlung) konnte ich verschiedene Aktivitäten buchen, die man entweder alleine oder mit weiteren tollkühnen Reisenden unternehmen konnte. Ich hatte richtig Lust, Rock Climbing in Ecuador auszuprobieren. Nachdem der abtrünnigen Jack, mein Zimmermitbewohner, mich nach einer heftigen Nacht Karaoke (!) hängen ließ, hatte ich das Glück, beim Frühstück den spontanen Jaap, einen Holländer aus Rotterdam, zu überzeugen.
Zu zweit machten wir uns also auf den Weg mit unserem Guide Diego Richtung Fels. Der befand sich direkt am Ortsausgang neben einer Brücke. Ich erwähne die Location deshalb, weil sie erstens Baños auf jeden Fall als super Base für jeden Kletterbegeisterten qualifiziert und zweitens alle 10 Minuten jemand von besagter Brücke springt, da das der berühmt-berüchtigte Bungee Jumping Spot is (10 Dollar und du bist/warst dabei). Man springt eigentlich nicht, sondern wird von einem Local auf wackligem IKEA-Plastikhocker geschubst, denn sonst schlägt man seitlich auf die Brücke. Wenn du schon mal geklettert bist, weißt du, dass Schreie in Todesangst neben dir leicht verstörend sein können, während du dich in 30m Höhe stabil auf deinem Zeigefinger abstützt.
Für alle, die auch mal gern in Baños klettern wollen: es hat super Spaß gemacht, für Anfänger fand ich die Routen (5b zum Aufwärmen, dann 6a, 6b, 7a) aber schon eher optimistisch. Nach einigen Stunden Klettern waren Jaap und ich dann noch in einem CurryPlace essen und ich fand den Ort und den Vibe dort so schön, dass ich mich spontan zwei Nächte eingebucht habe (es gab über dem Lokal auch ein B&B).
Abends waren wir mit ein Paar Leuten aus dem Hostel zusammen in einer weiteren Attraktion Baños, denen der Ort seinen Namen verdankt: den hot Springs. In unterschiedlich warmen Becken kann man sich entspannen und seinem Bikini dank Sulfur langsam beim Gelbwerden zusehen. Im unteren Geschoss gab es ein Becken, das wohl auf einen kannibalischen Urstamm zurückzuführen sein muss, denn nach einer Minute Aufenthalt in dieser brodelnden Sauce war man definitiv medium rare, if not well done.
Am nächsten Tag machte ich eine Radtour an ein paar Wasserfällen entlang, die einander immer wieder an Schönheit übertrafen. Unterwegs war ich mit Jenny, einer Amerikanerin aus meinem Hostel, die sich spontan anschloss. Wir waren beide ein bisschen schlapp an dem Tag und in der Ferne hörten wir es immer wieder donnern; nach ein paar Stunden Radeln und den LECKERSTEN Schoko-Banane-Empanadas von Mercedes kehrten aber Sonnenschein und unsere Lebensgeister zurück.
Du siehst - ich steigere mich in meinem Aktivitätsdrang! So kam es, wie es kommen musste, und ich buchte am folgenden Tag Wild River Rafting. Ich hatte zwei Freunde, Nele und Lenz, aus dem Secret Garden Cotopaxi Hostel wiedergetroffen, die sich direkt anschlossen. Mit dabei waren unter anderem auch Erik aus Erlangen (!), Nga aus den USA und Claudia aus Peru. Wir wurden von unserem Hostel mit einem Bus abgeholt und nachdem wir uns alle in Wetsuits gequetscht hatten, ging es los!
Im River Rafting gibt es wohl verschiedene Stufen auf einer Skala von 1-5. Wir saßen, nur getrennt durch ein bisschen Gummi und Luft, auf einer 4. So rechnete ich mit Adrenalin pur, von dem mir alle erzählt hatten! Die Realität war zwar lustig, aber nach den Wasserboottaxis auf den Bocas del Toro fand ich unser Boot im Ernst eher entspannt.
Wir ruderten, wenn unser Guide rief, wir duckten uns, wenn unser Guide rief, wir sprangen wieder auf den Bootsrand, wenn unser Guide rief. Wir zählten laut mit und waren ein Herz und eine Seele - Team Tequila! Naja, bis einer der unsrigen, Erik, aus dem Boot fiel. Das ist gar nicht so ungewöhnlich, bei einer 4 schon gar nicht, und wir wurden ja gut gebrieft, bevor wir die Wildwasserfahrt angetreten hatten. So erinnerten wir uns an einen Teil des Briefings: wir müssen Erik retten! Leider hörten wir in unserem Heldenmut nicht, dass unser Guide rief, dass wir paddeln sollen. All eyes on Erik, alle Hände hilfsbereit ausgestreckt, die Streber unter uns streckten sogar ihre Paddel in Richtung des schiffbrüchigen Franken aus. So kam's wie's kommen musste und unsere komplette Mannschaft kenterte.
Plötzlich war unten oben und oben gar nicht so toll, weil da das Boot war und Luftholen einfach nicht drin war. Alternativ gab's Wasser und das reichlich. Ich war in kompletter Panik und kann mich ernsthaft an nichts mehr erinnern, aber Nele, die grazil auf einem anderen Boot Platz fand, schilderte wie ich mich nach ein paar Sekunden? Minuten? Stunden? wie ein nasser Koala panisch an den Rettungskanus festklammerte. Ich dachte das war's. Ich wollte alles, nur nicht noch mehr Wasser schlucken. Sich an dem Rettungskanu festzuhalten fühlte sich absolut nicht an wie Rettung sondern wie das aggressivste und nasseste HIT Workout meines Lebens an (vielleicht auch das letzte?!?!?!). Lenz fand Nele nicht (die in Sicherheit war, tranquilo) und rief panisch "wo ist Nele?? Es sind keine Köpfe mehr da!" (selbst mit PTSD musste ich lachen und stellte ihm gleichzeitig die Badge "top Freund" aus). Claudia hängte sich in Panik an Nga dran und ertränkte sie fast (natürlich kein teamorientierter Move aber ich verstehe die Panik).
Irgendwann saßen wir alle wieder im Boot Team Tequila und waren einfach nur durch. Unser Guide meinte, ups, und dass das schon ne Weile nicht passiert sei, und er sich dachte "oh neeein, wir sinken, nicht dass mein Handy nass wird" bevor er ins Wasser sprang, um unsere verwaisten Paddeln einzusammeln. Rückt alles wieder bisschen in Perspektive.
Wir waren trotzdem die Helden des Ausflugs, alle anderen Boote und ihre Insassen sahen uns trocken und erschrocken an und wir schworen uns, unsere geschenkte Zeit gut zu nutzen: indem wir uns maßlos betrinken würden. Team Tequila!
So begaben wir uns direkt nach diesem entspannten Ausflug zu einem der Partybusse in der Stadt. OK, eigentlich waren es überhaupt keine Partybusse, sondern Touribusse, die (vor allem Ecuadorianer) mit Reggeatonmusik und bunten Farben als Vibe zu ziemlich kitschigen Touri Aussichtsspots fuhren. Man stelle sich riesige Hände aus Plastik auf Berggipfeln vor, auf die man sich zum Fotomachen stellen kann: "La mano de pachamama". Naja, den lokalen Geschmack hat's getroffen und für uns war's perfekt: wir setzten uns mit einer Ladung Bier rein und machten den Touribus zum Partybus. Die anderen fanden das am Anfang gar nicht lustig (ja ich verstehs) aber irgendwann steckten wir sie an und jung und alt fingen an wie wild mitzusingen und zu tanzen.
Es war herrlich. Canelazo gab's auch noch. So ein guter Start musste fortgesetzt werden und obwohl wir es nicht schafften, den Pegel zu halten, kamen wir mit Fake Tequila in der Stadt doch wieder in Fahrt , sangen Karaoke und feierten im verheißungsvollen Club "Why not". Manchmal muss man wohl fast sterben, um sich so richtig lebendig zu fühlen.
Nach dieser etwas ausufernden Nacht fragte ich mich, warum ich mich als wasserscheuer Mensch immer wieder freiwillig in nasse Lebensgefahr begab, und beschloss, mal ein neues Element auszuprobieren, welches meine Lebensgeister entweder wecken oder auslöschen könnte. So meldete ich mich zum Ziplining an. Mit dabei war dann spontan noch Team Tequila und so schwebten wir gemeinsam vollkommen wasserlos durch den lokalen Nebelwald.
An diesem Tag war mein Aufenthalt in Baños auch "schon" vorbei und ich begab mich in den Nachtbus nach Nueva Loja Richtung Amazonas.
Der Nachtbus
Dieser Nachtbus verdient ein eigenes Kapitel, im Ernst. Erik, der zufällig auch in die Richtung musste, und ich warteten mit fränkischer Geduld ewig auf den Bus, der uns planmäßig 10.45 Uhr Richtung Dschungel bringen sollte. Schließlich zockelte unser geräderter Ruhepol ein. Ich war optimistisch. Eine sehr kurze Nacht am Tag zuvor, gekoppelt mit vielen Tagesaktivitäten, einem aufregenden Lunchdate, einem verwehten Ziplining Event und wenig Kaffee boten den perfekten Nährboden für Schlafmangel.
Du siehst also, ich war vorbereitet. Griffbereit lagen Oropax, Mitternachtssnack, Musik mit meiner fantastischen Playlist, ein Buch und mein Wollpulli. Was sollte schief gehen?
Nun ja, mehr als schief war der Sitz meiner Vornachbarin. Die hatte ihre Lehne nämlich so weit nach hinten geklappt, dass meine Knie kaum Platz zwischen ihrer Lehne und meinem Sitz hatten. In dieser Position lag sie im Prinzip auf meinem Schoß. Ich war hin- und hergerissen, ob ich ihr liebevoll das Haar streicheln oder passiv aggressiv meine Knie bewegen sollte, was sicherlich einem Massagestuhl gleichgekommen wäre. Ich entschied mich für eine weitere Alternative und versuchte meine Beine links und rechts von ihr zu verstauen, sodass ich aussah, als würde ich mich auf eine wacklige Geburt vorbereiten.
In diesem Setup fuhren wir los. Während ich mir nicht vorstellen konnte, wie ich eine weitere Minute, geschweige denn 9 Stunden, in dieser fahrenden Hölle überleben sollte, sahen alle anderen Fahrgäste absolut entspannt aus. Viele schnarchten munter und hatten sich in ihre Decken, die ja gerne auch Teil des Outfits sind, gewickelt. Mein direkter Sitznachbar war zwar 2,7 Köpfe kleiner als ich und hatte daher nicht so schwere Knieverstauungsprobleme, hatte aber seinen Reiserucksack zwischen sich und die Vorderlehne geklemmt und schien sich von diesem klaustrophobischen Zustand nicht um den Schlaf bringen zu lassen.
Ich nahm mir also ein Beispiel und beschloss, weniger Deutsch und mehr tranquila zu sein. So zwang ich mich auch zu lächeln und parkte meine Sitzlehne auf dem Schoß der Französin hinter mir, die nun auch eine Chance bekam, entspannter zu werden. Gerade als meine Beine einschliefen und ich so die Knieschmerzen wunderbar verdrängen konnte, ging das nächste Kapitel los: die gute Nacht Musik. Wenn man nämlich mitten in der Nacht durchs ecuadorianische Hinterland rast, hat eines Priorität: der Busfahrer darf nicht einschlafen! Da geh ich eigentlich auch sofort mit, aber ist denn starker Kaffee keine valide Alternative zu 120 Dezibel Volksmusik?
Nun war an Schlafen wirklich nicht mehr zu denken. Ich begab mich in einen fast komatösen Zustand, den ich während der letzten Monate perfektioniert hatte, und ließ alles katatonisch über mich ergehen. Ab und zu wackelte mich ein Schlagloch, ein Ellbogen oder ein optimistischer Snackverkäufer aus meiner Selbstaufgabe. Ich fand aber immer wieder zurück.
Dies nahm ein jähes Ende, als um 5 Uhr morgens in irgendeinem Dorf auf der Route ein neuer Weggenosse einstieg. Nennen wir ihn Juan. Juan hatte ein Handy dabei und auf der anderen Seite der Leitung befand sich eine Frau. Diese Frau war entweder in einem anderen Land, vermutlich einige tausend Kilometer östlich von uns, oder aus WELCHEM GRUND auch immer um 5 Uhr morgens wach und bereit, sich den Monolog von Juan anzuhören. Wir alle (zumindest bestimmt ich und meine platte Französin hinter mir) waren das aber nicht. Viele wichtige Informationen flossen in dem Gespräch jedenfalls nicht und ich kann bis heute nicht nachvollziehen, warum man dieses Mittelmaß an Projektmanagement Skills in maximaler Lautstärke mit allen Anwesenden teilen musste, sodass sich Vicente Fernández plötzlich fantastisch anhörte (ich verlinke ihn dir hier, damit du dich richtig reinfühlen kannst). Ich erreichte durch diese spannende Herausforderung den Höhepunkt meiner Selbstaufgabe.
Ich bin nicht besonders spirituell, aber ich glaube, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt meinen Körper verlassen habe und unter den Blinklichtern und Lautsprechern der Busdecke über den Fahrgästen schwebte (mein Mitternachtssnack waren übrigens Platanitos con sal y limón, nur falls du dich an dieser Stelle gefragt hast).
Nun will ich dieses Kapitel nicht unnötig in die Länge ziehen (haha). Punkt ist, ich habe kein bisschen geschlafen und mir eingestehen müssen, dass ich noch weit vom lokalen Determinismus entfernt bin.
In Nueva Loja angekommen musste ich umsteigen. Am Abend zuvor hatte ich meiner Lodge auf Whatsapp geschrieben, um herauszufinden, wie ich am besten zur Cuyabeno Bridge kommen würde, wo man uns mit Kanus abholen sollte (schaut, da war ich schon sehr tranquila und undeutsch, geht manchmal). Mir wurde gesagt, dass ich bei einem Restaurant D'Mario warten soll und mich da ein Shuttle mitnimmt, so gegen 8. Obwohl erstaunlich wenige Angestellte von D'Mario von diesem Deal wussten und der Shuttle auch erst eine Stunde später eintraf, war ich von diesem smoothen Wechsel begeistert und trotz Müdigkeit sehr gespannt auf mein finales ecuardorianisches Abenteuer.
Cuyabeno - Amazonas
Achtung liebe*r Leser*in - wir kommen nun zum absoluten Highlight meiner Reise. Wenn du das hier ließt, dann bist du ein echter Fan! Du hast dich durch mehrere Kapitel Blödsinn gekämpft und der Nachtbus war die letzte Probe für dich. Hierher kommen nur die härtesten, die würdigsten unter den Passivreisenden. Und deshalb kämpfen wir uns nun gemeinsam durch den Amazonas... dem Sahnehäubchen auf der Torte, oder, besser, dem Käsehäubchen auf der heißen Schokolade!
Der Amazonas war ein magischer Ort. Ich hatte wenig bis keine Erwartungen an diesen Abschnitt meiner Reise. Die Buchung erfolgte auch vollkommen planlos: ich war gerade in Quito und wanderte in die falsche Richtung, sodass mich das Schicksal in ein Reisebüro spülte. Ich hatte nämlich ein Schild draußen gesehen, das last Minute Galapagos Deals anpries. Nachdem ungefähr jeder, den ich traf, dort hin fuhr und endlos begeistert war, wollte ich mich mal informieren, was der Spaß nun eigentlich kosten würde. Nach fünf Minuten "Low Budget Backpack Szenario" war klar, dass ich auf gar keinen Fall dort hingehen würde. Der nette Brite des Reisebüros sah meine finanzielle Ratlosigkeit und bot mir das zweite Schmankerl Ecuadors an: den Amazonas. Naja, dachte ich mir, freiwillig zu nem Fluss mit echt vielen Mücken fahren, idk (den Nachtbus hatte ich mir auch eher skeptisch angehört). Besonders empfohlen wurde mir die Tucan Lodge, weil der Besitzer der Lodge direkt dort wohnt und die Guides dort sehr gut sein sollen. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit und weiteren, begeisterten Empfehlungen dieser Lodge durch andere Wanderer buchte ich den Spaß schließlich. Ich wusste, dass es der letzte Stop in Ecuador vor meinem Flug nach Mexiko sein würde und entschied mich, das kleinste Paket (2 Nächte, 3 Tage) zu buchen, um einen Tag Puffer für den Fall der Fälle vor meinem Flug zu haben.
Spoiler: ich verlängerte um einen weiteren Tag und erwischte sogar meinen Flug.
So landete ich also im Regenwald. Als wir mit dem Shuttlebus an der Cuyabeno Bridge ankamen, waren alle erst mal verwirrt. Hier treffen sich nämlich alle verschiedenen Reisenden, unabhängig davon, in welche Lodge sie fahren. Da ich aus Baños mit dem öffentlichen Bus gekommen war und erst kurz vorm Ziel zum Shuttlebus hinzugestiegen bin, hatte ich noch keine Freunde. Da war ich sehr froh, als irgendwer irgendwann TUCAN LODGE brüllte und ein paar Leute ihre Rucksäcke schulterten und losliefen. Meine Reisegruppe war so heterogen, als hätte ich sie mir aus the Best Exotic Marigold Hotel herbeigezaubert. Neben zwei pensionierten Amerikanerinnen (eine davon lebte nun in Ecuador mit ihren sechs Hunden, hatte einen doppelten schwarzen Gürtel in Karate und rauchte Kette), einem jungen Mädchen aus den Niederlanden, die in Ecuador ein Praktikum machte, einem aufgeregten Ökologiestudenten aus Irland und einem Bilderbuchpärchen aus Münster befanden sich noch ein Paar aus Ungarn in der Gruppe, das durch fehlende Englischkenntnisse und ein RIESIGES Kameraobjektiv auffiel. Wir wurden Carlos zugeteilt und machten uns auf den Weg zum Kanu.
Um zur Lodge zu kommen, muss man nämlich noch zwei Stunden Boot fahren. In unserem Fall wurden es mehr als drei, denn wir hielten immer mal wieder an, um die Tierwelt zu bestaunen: Affen, ein Faultier, Tukane, eine Anakonda, Kaimane, pinke Delfine und jede Menge Vögel. Einmal sahen wir sogar einen Otter! Carlos konnte alle Sprachen der Tiere und lockte sie so aus ihren Bauten. Wir waren alle sehr begeistert, vor allem das ungarische Pärchen, aber wie wir bald lernen sollten, erstreckte sich ihre Begeisterung (und ihr Objektiv) auf ALLES, was wir so fanden.
In der Lodge angekommen, gab es erst mal Mittag. Das Essen war dort immer sehr lecker, von selbstgemachtem Brot und Pancakes zum Frühstück über viel Obst und leckere lokale Gerichte zum Mittag und Abendessen. Es fanden sich noch zwei weitere Iren, die sich mit mir das Dorm teilten und mich mit ihrem herrlichen Humor unterhielten. Dann gingen die Aktivitäten los: wir fuhren viel mit dem Kanu auf dem Wasser, morgens gab es bei Nicht-Regen immer einen Birdwatching Ausflug, wo man echt viele Vögel antreffen konnte. Am ersten Abend fuhren wir in eine Lagune, die komplett mit Regenwasser gefüllt war. Das bedeutet, dass sie in der Trockenzeit (um Dezember herum) trocken und leer daliegt und in der Regenzeit (zum Juni hin) sehr hoch steht. Ich glaube, dass ich aus Versehen den perfekten Zeitpunkt gewählt habe, um dort hin zu reisen, denn wir hatten bereits viel Wasser, um Fluss und Lagune zu erkunden und sogar schwimmen zu gehen, mussten auf unserem Dschungel Walk aber nur durch kniehohes Wasser laufen (aktuell - es ist April, also ein Monat später - steht das Wasser schon bis zum Hals, wie ich aus einer sicheren Quelle weiß).
Auch hier sahen wir wieder viele Tiere: eine Boa Constrictor, Anakonda, Taranteln, giftige Frösche, Bullet Ants, Lime Ants, Affen, riesige Zikaden, Fledermäuse... also war echt viel dabei. Für mich war es eine klare Flooding Therapie, weil ich jetzt vor heimischem Getier wie Norbert dem Skorpion keine Angst mehr hätte (Simone, du kannst ihn aber trotzdem weiterhin für uns im Weinglas fangen).
Weil es mir wirklich gut gefiel und mein Herz sehr an diesem Ort hing, beschloss ich spontan, einen weiteren Tag zu bleiben. So konnte ich noch mit in die nahegelegene Community kommen, dem Dorf, in dem unser Guide Carlos aufgewachsen war. Hier ernteten wir Yuca (LECKER) und lernten von seiner Mutter, wie man Pan de Yuca (Yuca-Brot) macht. Yuca ist ein Wurzelgemüse und sieht aus wie eine Kartoffel, hat aber mehr Stärke und ist sehr hart, bevor man es kocht. Ich hab es sehr oft auf meiner Reise gegessen und liebe es! Dann gabs noch in Blätter gewickelte Lunchpakete zum Mittag, die wir über dem Feuer brieten. Abschließend erzählte uns der Schamane der Community von seinem Arbeitsalltag, der deutlich spannender und inspirierender klang als Content Marketing, und gab uns allen einen Schnapps. Hier trennte sich der Spreu vom Weizen, weil manche husten mussten (tss). Ich wurde schließlich als Versuchskaninchen erkoren, um mich von Schamanen auf etwaige Krankheiten, bzw. eine schlechte Energie untersuchen zu lassen. Er führte ein Ritual durch und konnte mir danach beste Gesundheit quittieren.
Mit meiner guten Energie im Schlepptau und frohem Herzen verbrachte ich also drei Tage an diesem magischen Ort, wo Himmel und Wasser ineinander überzugehen scheinen, kein Internetempfang existiert und sich Anaconda und Otter gute Nacht sagen. Der Abschied fiel unglaublich schwer, aber ich war sehr dankbar für diese schöne Zeit und die wirklich inspirierenden Eindrücke, die ich im Wald und der Community gewinnen konnte.
Nach zwei Stunden Kanu, zehn Stunden Busfahrt und einer kurzen Nacht in Quito ging es für mich nach - Mexiko!