Wandern dann.
jetzt oder nie

Capurgana 

Willkommen in Kolumbien!

Bevor ich die Reise antrat, war ich mir nicht sicher, ob ich nach Kolumbien reisen sollte oder nicht. Ich hörte gemischte Rezensionen und tat mir schwer einzuschätzen, wie sicher das Land sein würde. Die Karibikküste wurde aber immer wieder als gängiger Touristenort beschrieben, sodass ich zumindest dort unbedingt hinwollte. Überhaupt schienen alle Backpacker hier absolut keine Bedenken zu haben, in das Land einzureisen, und auch alle Reisenden, die umgekehrt wie ich vom Süden in den Norden gingen, berichteten mit strahlenden Augen vom südamerikanischen Land. 

Meine erste Station in Kolumbien war das kleine Städtchen Capurgana an der Grenze zu Panama. Hier holten wir uns den Einreisestempel und einen Piña Colada beim Migrationsbüro ab (ja, du hast richtig gelesen) und duschten alle erst Mal so richtig ausgiebig (2 Mal). Der Flair in Kolumbien war spürbar anders als in Panama, man merkte, dass man nicht nur in einem anderen Land, sondern nun auch in Süd - statt Mittelamerika angekommen war. Überall spielte LAUTE Musik auf den Straßen, die Menschen waren extrem entspannt und abends tanzten alle auf den Straßen.

Da unsere Reisegruppe (wir waren insgesamt 25 Personen) alle zwangsweise gemeinsam in Capurgana ankamen, verbrachten wir noch ein paar schöne Tage zusammen, bevor einer nach dem anderen langsam wegtröpfelte und sich entweder Richtung Medellín oder Cartagena aufmachte. Capurgana fühlte sich fast wie eine Insel an, da der Ort ringsum von Dschungel abgeschirmt war. Daher kam man nur mit dem Boot hin oder weg. Rundherum gab es viel zu entdecken: an einem Tag machten wir eine Wanderung, die uns zum Cielo und dann Paraíso führte. Man konnte also in den Himmel und dann das Paradies wandern! Ganz so biblisch war es trotz der im Engellook gehaltenen Wegweiser dann doch nicht, aber wir fanden natürliche Pools zum Schwimmen, einen großen Baum voller Fledermäuse und die besten Patacones der Welt vor. Definitiv nahe am Paradies!

Am anderen Tag machten wir eine Gruppenwanderung an der Küste entlang nach Aguacate 🥑, wo wir eigentlich schwimmen wollten, letztendlich aber alles über das ordentliche Erlegen einer Kokosnuss lernten.

Nach drei Tagen in diesem kleinen Ort fühlten wir uns gewappnet für eine neue Bootsreise und machten uns auf den Weg Richtung Cartagena!

Rincón del Mar

Auf dem Weg nach Cartagena legte ich einen Zwischenstopp in Rincón del Mar ein, einem kleinen Dorf am Meer, wo man fluoreszierendes Plankton sehen konnte. Diesem heißen Tipp folgte ich direkt, da ich das schon seit längerem machen wollte. Rincón war wunderschön und sehr ruhig und ich hatte das Glück, in einem echt süßen Airbnb gelandet zu sein. Hier waren wir eine lustige Truppe aus Deutschen, Schweizern und einem Kolumbianer, Santiago, dem Boyfriend der Hostin Vera, der sie urlaubsbedingt vertrat.

Santiago übte sich im DJ-sein und so legten wir eines abends spontan im Innenhof des AirBnBs auf und tanzten zu klassischem und romantischem Salsa (Hintergrundinformationen folgten von Santiago).


Die Plantkon Erfahrung war auch sehr schön: man fuhr abends mit einem Boot hinaus und konnte dann im Dunkeln ins Wasser springen. Bei Bewegung leuchtete das Plantkon auf, sodass man bunte Linien im Wasser malen konnte. Der Rückweg war sehr kalt und nass und dunkel und die Tatsache, dass unser Kapitän nur noch einen Arm und eine winzige Taschenlampe auf offener See dabei hatte, machten mir nicht viel Mut; wir kamen aber sicher, wenn auch sehr verfroren, in Rincón an und gönnten uns in einem leckeren vegetarischem Restaurant direkt am Strand einen guten Abendschmaus.

Dann ging es am nächsten Tag mit einem Holperbus weiter nach Cartagena.

Cartagena 

Von Cartagena habe ich einfach schon so viel Gutes gehört: eine Mitbewohnerin von mir hat hier mal ein Jahr gewohnt und ich hatte mich vor 8 Jahren sogar auf ein Praktikum im Casa Alemán beworben, das damals aber wegen Planänderungen doch nicht stattfand. Ich war sehr gespannt auf das Städtchen und freute mich schon sehr auf die Abwechslung zum Inselleben. Deshalb hatte ich im Vorraus bereits einen Platz in einer Sprachschule reserviert und verbrachte nun auch eine Woche beim Spanischlernen und Arepa-Schlemmen.

Cartagena ist eine super schöne, wenn auch touristische Stadt an der Küste. Die Altstadt ist richtig malerisch, mit kleinen Gassen und bunt bemalten Wänden, viel Street Art und Lebenslust, wo man hinschaut. Abends sitzt man mit einem Mijito oder Coco Loco auf der Straße und lässt sich von Straßenkünstlern entertainen. Oft gibt es hier und da spontane Tänze auf der Straße, oder man geht in einen der vielen Clubs und schwingt das Tanzbein. Neben dem Sprachkurs habe ich auch zwei Salsa Stunden genommen und war daher sehr aufgeregt, eines abends in einem Salsa Schuppen meine neu erlernten Skills direkt einzusetzen. Lustiger Weise war unser Salsa Lehrer auch im selben Lokal (anscheinend eine gute Wahl!) sodass wir dann beobachten konnten, wie man es richtig macht.

Nach einer Woche Sprachkurs merkte ich, dass ich es absolut nicht mehr gewohnt war, mich zu konzentrieren, und ich außerdem fast alles vergessen hatte, was ich jemals über spanische Grammatik wusste. Aber qué será, será - irgendwie kann ich mich ja doch verständigen und ich bin immer besser darin, einfach vorzutäuschen, dass ich den dicken cartagenischen Akzent der Taxifahrer ohne Probleme verstehe. Wird schon passen :D

Nach einer guten Woche an der Karibikküste geht es für mich nun in den Süden, da ein Nationalpark an der Küste für zwei Wochen geschlossen hat und es daher Sinn macht, zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu kehren. Nun warten auf mich die schöne, bergige Kaffeeregion sowie Medellín mit einem weiteren Sprachkurs.

Salento - Eje cafetero 

Da der Park Tayrona an der Karibikküste für zwei Wochen zur Regeneration geschlossen war, entschloss ich mich zuerst den südlicheren Teil Kolumbiens abzuklappern und anschließend wieder hoch in die Hitze zu fliegen.

Bis mein Sprachkurs in Medellín losging, hatte ich noch etwa eine Woche Zeit. Meine erste Station war Salento - eine kleine Stadt mitten im Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens. Diese Gegend ist auch als Eje Cafetero (die Kaffee-Achse) bekannt. Wie immer, wenn ich in den Bergen lande, war ich im Himmel. Das Klima war deutlich kälter und nasser als an der Küste und die Landschaft stand in stolzem Grün. Ebenso stolz und hoch ragten die berühmten Palmen in der Valle Cocora heraus, die höchsten Palmen der Welt. Irgendwie erinnerten sie mich an unsere Kiefern, die auch untenrum eher mager daherkommen und in hohen Lüften mit ihren Blättern wedeln. Bzw Nadeln.

In Salento konnte ich nach Ewigkeiten endlich meinen Bewegungsdrang stillen. Leider übertrieb ich es leicht und hängte an eine 12km Wanderung noch einen 10km Lauf nach Hause mit dran - das bescherte mir gute drei Tage heftigen Muskelkater.

Neben dieser schönen Wanderung nutzte ich die Zeit auch zum Auskurieren: Klimaanlagen im Klassenzimmer bescherten mir Mal wieder eine Erkältung, die ich mit Aguardiente und Käsefußtee zu bekämpfen wusste.

Wie du vielleicht schon vermutet hast, dreht sich in der Eje Cafeteria viel um.. Kaffee ;-)

So war ein Besuch einer Kaffeefarm natürlich Pflichtprogramm. Mir wurde eine Finca in Laufnähe empfohlen, die Touren zum Anbau und Verarbeitung von Kaffee gab. In 1.5 Stunden wurden wir von unserem Guide auf höchst unterhaltsame Weise durch einen Berg an Fakten zu Kaffee geprügelt. Er trank laut Eigenaussage 9 Tassen Kaffee pro Tag und ich glaube diesem Mann aufs Wort.

Long story short lieber entkoffeinierter Leser: Kauf am besten medium-roasted Coffee. Denn hier bekommst du die perfekte Balance zwischen sauer und bitter und feine Aromen kommen hervorragend zur Geltung. Sehr stark gerösteter Kaffee wird oft verwendet, um eine schlechte Qualität zu verschleiern und hat zudem den netten Nebeneffekt, dass man pro Tasse weniger Pulver braucht. (Unser Guide war kein Freund von Starbucks.) Er schmeckt tendenziell bitter, weil er so lange geröstet wird. Leicht gerösteter Kaffee ist übrigens heller in der Farbe, schmeckt säuerlich und ist besonders in Skandinavien beliebt. Auch der Kontakt und die Menge an Wasser beeinflussen den Geschmack (auch hier gilt: je kürzer, desto saurer etc).

Einmal Berge und Kaffeeplantagen abgeklappert, stand ich vor einer schwierigen Entscheidung: mein zweiter Sprachkurs in Medellín ging einige Tage später los und ich könnte entweder noch ein bisschen in den Bergen abhängen (home away from home) und dort eine liebgewonnene Freundin aus meinem San Blas Abenteuer wiedersehen, oder mit einem anderen Freund in einer etwas wilden Aktion noch schnell in die Wüste fahren. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich natürlich für die wilde Variante entschieden habe.

So setzte ich mich spontan in einen Bus runter nach Neiva, um zwei Tage in der Tatacoa Wüste herumzustauben.

Tatacoa Wüste 

Die Tatacoa Wüste ist eigentlich keine Wüste, sondern einfach ein sehr trockener Ort. Aber lassen wir den Kolumbianern ihre Wüste (laut Eigendefinition gibt es zwei, die andere befindet sich am nördlichsten Punkt des Landes) und begeben uns gedanklich noch mal in dieses Trockenerlebnis. Eher feucht gestaltete sich die Busfahrt dorthin: 6 Stunden nach Neiva (meh) und dann mit so nem Minibus vollgepackt am nächsten Morgen ab in die Wüste. Dort war es sehr warm. Wir gönnten uns erst Mal in einem kleinen Lokal eine vegetarische Bandeja (Suppe zur Vorspeise - wir bekamen Früchte, dann Reis, leckeres Gemüse sowie das obligatorische vegetarische Ei mit einem sehr süßen Saft des Tages). Frisch gestärkt konnten wir uns nun dem nächsten Rätsel stellen: wie kamen wir zu unserer Unterkunft in der Wüste? Die Tuktuks und Mototaxis waren uns anscheinend zu unaufregend, denn plötzlich standen wir mit dem Schlüssel von Luis' Motorrad in der Hand da. Luis war ein betrunkener Dorfbewohner, der fand, dass 180.000 COP (von mir heldenhaft von 200k runtergehandelt) ein prima Deal sei, um zwei wildfremden Daherglaufnen für zwei Tage sein schrottiges Motorrad zu überlassen.

Es wurde ein Heidenspaß. Zum Glück konnte Phil Motorrad fahren, denn ich wäre komplett aufgeschmissen gewesen, vor allem auf den "Wegen" im tiefen Sand. So düsten wir munter über Schlagloch und Stein und erfreuten uns des wüsten Anblicks mit wehendem Haar und staubigen Decolletes.

Unsere Unterkunft war sehr süß, mitten in der Wüste, und wir bekamen einen vegetarischen Burger zum Abendessen serviert, der anstatt eines Brötchens ein Patacón hatte (frittierte Kochbanane). Wenn du dachtest, dass Burger so ziemlich das ungesündeste Essen sei, dann hast du hiermit die Superlative entdeckt.

Tagsüber schauten wir uns erst mal die graue Wüste an und wurden von einer netten Touristin, die sich einen Guide gegönnt hat, auf die lustigen Kaktusfrüchte hingewiesen, die man essen konnte. Das sollte uns noch mal das Leben retten - aber mehr dazu später. Sei gespannt.

Am Abend fuhren wir zu einem Observatorium in der Nähe (das Motorrad hatte Licht! Wir waren überrascht und auch ein bisschen froh), welches von einem Professor gegründet wurde. Dieser Professor schaut dort regelmäßig mit seinen Studenten durch Teleskope und berechnet vermutlich verschiedene Dinge, über Sterne und e=mc² und so weiter, und wenn er das nicht gerade tut, dann erzählt er in 2 Stunden JEDEN ABEND begeisterten Zivilisten alles über das Weltall, was man wissen muss. Es war fantastisch und bisher das Highlight meines gesamten Trips. Zwar ist mein Spanisch Vokabular im Bereich Astrophysik nicht ganz ausgereift, aber allein Jupiter und mindestens 5 seiner Monde durchs Teleskop sehen zu können, verschiedene Sternbilder zu entdecken (Zwilling war auch dabei!!) und noch Mal alles zur Entstehung und Tod von Sternen und Sonnen zu lernen, war absolut magisch.

Sternschnuppen haben wir auch welche gesehen, aber es gibt so viele von ihnen, dass mir langsam die Wünsche ausgehen. Da muss man auch erst mal hinkommen ❤️

Am nächsten Tag schauten wir uns dann noch den roten Teil der Wüste an. Wir taten das in kluger Voraussicht zwischen 11 und 13 Uhr. Liebe*r Leser*in, es sei dir an dieser Stelle gesagt, dass in einer solchen Gegend um diese Uhrzeit zwei Dinge passieren: es ist UNGLAUBLICH heiß und alle Richtungen könnten Süden sein, denn die Sonne steht einfach senkrecht.

Und so irrten wir, vermutlich schon komplett von Sinnen, mittags durch die rote Wüste. Hätten wir nicht an an jedem Kaktus genascht, den wir unterwegs sahen, dann hätten wir uns 1. vermutlich nicht verlaufen und wären 2. ganz sicher unterzuckert und verdorrt verendet. Wie eine getrocknete Tomate mit fetter Salzkruste. Kathrin und Phil, die zwei orientierungslosen Opfer, schön gepökelt im eigenen Schweiß und das ganze noch dokumentiert auf Strava.

Naja so weit kams natürlich nicht, denn wir hatten ja diese Kaktuswarzen zum Naschen (anders kann ich sie nicht beschreiben aber oben siehst du ein Foto)

Irgendwann fanden wir dann, dank maps.me und halb umgefallenen Wegweisern, zurück und gönnten uns ein Bier.

Danach gaben wir Luis sein Motorrad zurück und schlugen noch ein paar Stunden in Neiva tot, bis Phil weiter in den Süden reiste und ich mich mit dem Nachtbus 11 Stunden Richtung Medellín aufmachte.

Mein Resumee zum Nachtbus: es war besser als gedacht, mein Busfahrer ist phänomenal gefahren und ich konnte ein bisschen schlafen. Im Vergleich zur Anreise, wo ich die Landschaft und den Zustand der Straßen sehen konnte, war die Nachtfahrt ein Traum! Leider kennen viele Latin@s das Konzept von Kopfhörern nicht, sodass von 8pm bis 7am einfach Dauerlärm war. Mit bisschen Oropax und Sonnenstich ging aber auch das klar.

Medellín 

In Medellín hatte ich meinen zweiten Sprachkurs gebucht. Warum? Mir wurde auf meiner Reise mehrmals eine Schule bzw ein Hostel empfohlen, das eine "language immersion" erzielen wollte: man schlief gemeinsam im Hostel und lernte mit sehr guten LehrerInnen in straffem Programm Spanisch. Soviel vorab: so viel immersion fand nicht statt, da ungefähr 90% der Teilnehmer komplette Anfänger waren und man daher ohnehin Englisch sprach. Aber die Schule war trotzdem klasse (was in meinem Fall an meiner fantastischen Lehrerin Cindy lag, sowie an meiner Klassengröße von 2 Personen). Ich hatte bisschen Angst, dass ich, ähnlich wie in Cartagena, noch Mal vieles durchkauen muss, was ich eigentlich nur kurz auffrischen wollte. Nicht so mit Cindy! Die Linguistin liebt Spanisch und seine Grammatik, zeigte uns aber ganz neue und tolle Themen. Unter anderem lernten wir typisch kolumbianische Redensarten, lasen Kurzgeschichten von Gabriel Garcia Marquez und sprachen über aktuelle Themen in Kolumbien. Eine Woche Heaven.

Abends machte ich viel mit den anderen Studenten: wir spielten Tejo (man wirft mit Steinen auf ein Brett, das Plastikstücke mit Kanonenpulver beherbergt. Wenn's knallt kriegt man nen Punkt, grob gesagt), gingen zu einem Fußball Spiel der las Nacionales (WILD!), lernten dort die recht eingängigen Hymnen und grölten mit den anderen Fans mit. Eines abends versuchte ich mich als Salsa Instrukteurin (so weit kam es!) und kochte Spaghetti für alle.

Am Wochenende fuhr ich noch nach Guatape, einem Ort etwas außerhalb von Medellín, wo man einen großen Stein besteigen kann und eine tolle Aussicht genießt. Leider war das ganze so touristisch, dass ich nach zwei Stunden wieder abhauen musste und mir stattdessen in Medellín einen Kaffee gönnte. 

Was noch in Medellín geschah: sonntags werden einige große Straßen gesperrt, sodass man da joggen und radeln gehen kann (da war ich natürlich direkt dabei), viele tolle Cafés und Restaurants, Phil wurde sein Handy gestohlen, als er in der Metro unterwegs war (leider keine Seltenheit), free guided City Tour durch die Innenstadt (richtig toll), City Tour durch die Comuna 13 (viel Street Art und spannende Geschichte, vom gefährlichsten Viertel der gefährlichsten Stadt zur Hip-Hop Kultszene). Alles in allem muss ich sagen, dass mir Medellín richtig gut gefallen hat und ich hier locker noch länger hätte bleiben können - es gab noch SO viel zu entdecken!


Baranquilla 

Alles hat ein Ende, nur der Käsededito hat zwei - und so hieß es nach genau einer Woche Adios Medellín und Helau Baranquilla! Ich hatte die ganze Zeit hin und her überlegt, für den Karneval nach Brasilien zu fliegen und dort meine brasilianischen Freunde, die ich in Panama getroffen hatte, wieder zu sehen. When in Rio! Aber das Timing und pricing passte mir nicht ganz, sodass ich mich für den zweitgrößten Karneval der Welt entschied, der zufällig in Kolumbien stattfindet. Perfekt!

Ich flog mit einem Tag Verspätung zurück an die Karibikküste und durfte noch zwei Tage lang Zeugin der wilden kolumbianischen Seele werden. In Baranquilla war ich zusammen mit Phil und Claire aus meiner San Blas Gruppe. Wir hatten Tickets für eine Tribüne ergattert und konnten so gediegen den Umzug betrachten - so dachten wir zumindest, bevor wir von fünf Kindern hinterhältig überfallen wurden! Im Karneval von Baranquilla sprüht man nämlich Schaum herum, was zu regelrechten Schaumschlachten ausarten kann (das tat es). Um das ganze noch bisschen nachhaltiger zu gestalten, bewirft man sich anschließend noch mit Maisstärke, die es in vielen tollen Farben zu kaufen gibt. (Laut meines T-Shirts waren die IT-Farben diesen Jahres rosa, blau und durchfallgelb). Spätestens als auch wir uns mit riesigen Schaumwerfern ausstatteten, begann offiziell der Krieg. Wir verloren. Nach einer Stunde und vollkommen durchnässten Klamotten gaben wir uns geschlagen, schüttelten den stolzen Kindern die Pfoten und verzogen uns ans Ende der Tribüne, wo wir unsere Wunden leckten, unsere T-Shirts trockneten und über die eskalierenden Effekte von Waffenfreiheit philosophierten.

Der Umzug selbst war fantastisch: die Kostüme waren bunt, herrlich und beeindruckend, und am tollsten war die Lebensfreude und Stimmung der Teilnehmer. Am zweiten Tag stellten wir uns direkt an die Brüstung und bekamen so alles ganz nah mit.

Abends war natürlich Fiesta angesagt. Da wir nun schon erprobt waren, ließen wir unsere Handys daheim und malten uns einfach die Karte zum Tanzschuppen mit Kuli auf den Arm. Klug! Am Tag vorher wurde eine Dame mit 86 geklauten Handys gefasst, munkelt man. 

So zogen wir durch die Gegend und endeten in einem Tanzlokal, wo wir zu Salsa zockelten. Das ging so lange gut, bis sich die Menge etwas leerte und man uns sah. Denn dann war klar: diese Gringos können nicht tanzen! Eine Frau ermunterte mich, mehr mit meinen Schultern zu wackeln. Irgendwann wurden wir von einer Gruppe Kolumbianer adoptiert, die sich das Trauerspiel wohl nicht mehr mit ansehen konnten. Und so nahmen sie uns unter ihre Fittiche: nachdem wir mit Maismehl inauguriert wurden, gab es zwei Stunden lang intensiv Crashkurs zu kolumbianischem Salsa. Einmal durfte ich sogar die Cowbell schlagen, die ich dem "in-vivo" Musik Part der Belegschaft abnahm.

Irgendwann waren unsere Kolumbianer dann ganz zufrieden mit uns (es regnete high fives) und unsere Beine Gummi vom ungewohnten Hüftschwung. So verabschieden wir uns und fanden dank der ausgeklügelten Karte auf meinem Arm wohlbehütet nach Hause.

Auf dem Weg zum Bus Terminal nach Santa Marta tauschte ich noch meine Touri -beige Cappy gegen eine Karnevalsmütze mit meine Taxifahrer, die mich auf meinen nächsten Stationen begleiten sollte und dank des Pimmelnasengesichts auf neongelbem Hintergrund für einiges Aufsehen sorgte.

Cuidad Perdida 

Die Wanderung zur cuidad perdida oder der Lost City Trail ist ein Klassiker in Südamerika. Die verlorene Stadt wurde 1973 entdeckt und gilt als eine der bedeutendsten archäologischen Funde Lateinamerikas, vielleicht sogar direkt nach dem Machu Picchu. Nachdem Perú aufgrund der aktuellen politischen Lage nicht von Touristen bereist wird, ist die Ciudad Perdida eine willkommene Alternative für alle, die schon immer gerne durch einen mückenbefallenen, feuchten Dschungel tracken wollten, um sich alte Ruinen anzusehen. 

Hört sich gut an! sagte auch ich mir und buchte direkt einen Slot. Leider dachten sich das auch ca. 80 andere Menschen zur gleichen Zeit (das Ende des Karnevals initiierte eine weitere Touri-Welle), sodass das viel gelobte, abgeschiedene Gefühl der Tour maximal den Tauben und Blinden Teilnehmern vorbehalten blieb. Glücklicherweise gehörte ich fast zu dieser Gruppe, da ich dank Karneval-Schaumspaß mit einer Bindehautentzündung und viel zu schwacher Brille unterwegs war.

Der Trail ging über vier Tage, drei Nächte und 60km mitten in die Berge des Nebelwalds, den ersten Ausläufen der Sierra Nevada de Santa Marta.

Die Landschaft war wirklich atemberaubend, aber da wir wie die Esel hinter vielen Touris herliefen, musste man auf seine Füße achten und trödelte ungern (edit: stimmt nicht, denn die Esel bzw Maultiere hatten sogar Vorfahrt). Das Essen wurde für alle Gruppen extra von einem Koch zubereitet und war erstaunlich gut. Geschlafen wurde in Schlaflagern auf dem Weg mit vielen Stockbetten. Da wir so viele Menschen waren, gab es aber nicht genug Betten für alle, sodass manche in Hängematten schlafen mussten oder (wie ich) sich ein 80cm Bett teilen mussten. Das nagt bei 18km Wandern pro Tag an der Schlafqualität. Die Cuidad Perdida selbst war atemberaubend schön. Am Tag vorher erklärte uns unsere Reiseführerin noch einiges zur Geschichte der Stadt sowie zu den indigenen Völkern, die immer noch im Tayrona Nationalpark lebten. Etwas absurd wurde es, als sie, um ihre Erzählungen zu veranschaulichen, eine Tupperdose voller archäologischer Fundstücke auspackte, die einmal rumgereicht wurden. Auch eine Tonpfeife gab es und alle durften Mal pusten. Leider war die Cuidad Perdida schon ziemlich leergeraubt gewesen (wir können es uns nun ganz gut vorstellen) bevor die ersten Archäologen die abgeschiedene Fundstätte mit viel Mühe fanden und der Ort vom Staat und UNESCO geschützt wurde. Vieles war derart zerstört, von Plünderern der ersten Stunde auf der Suche nach Tonpfeifen und Gold, dass die Strukturen neu nachgebaut werden mussten. Das Ergebnis kann sich aber sehen lassen: man kann nun über ein 5km großes Areal mitten im Dschungel schlendern und sich sehr gut vorstellen, wie die Völker Tayronas hier noch vor einigen Hundert Jahren Pachamama, Mutter Natur, anbeteten, bevor sie vor den Spaniern fliehen mussten.

Aktuell wohnt nur das Oberhaupt des indigenen Volkes der Kogui mit seiner Frau in der Cuidad Perdida. Er wird Mamo genannt und ist der wichtigste Mann der Kultur (die Rolle wird an den Erstgeborenen vererbt). Wir erfuhren auf unserer Reise viel über die Traditionen und Kultur der Kogui und Huiwa, einer anderen Gruppe indigener Volker in Tayrona, und durften mehr zu Bräuchen rund um Poporos und der heiligen Coca Pflanze lernen.

Nach diesem tollen Erlebnis fiel der Weg zurück etwas schwer, wir schlugen uns aber tapfer und so kam meine Gruppe, die "Mulas Perdidas", vollkommen nassgeschwitzt am vierten Tag im Restaurant des Ausgangspunktes an. Wir haben neue Freundschaften geschlossen, einige Kilometer und Höhenmeter hingelegt, viel gesehen und gelernt - und sehnten uns nach einem gemütlichen Bett und ein paar Tagen ohne Herumlaufen!

Ich hatte das schon antizipiert und mir kluger Weise einen Ort an der Küste herausgesucht, wo man ganz gut entspannen kann: Palomino.

Palomino und Tayrona Nationalpark 

Palomino ist ein kleines Aussteigerdorf östlich des Nationalparks Tayrona. Ich wusste, dass ich diesen gerne sehen wollte (wegen dieses Parks bin ich zwischendurch erst in den Süden geflogen, um dann wieder extra zurück zu kehren), aber es war klar, dass ich mir erst Mal ein paar Tage Pause gönnen würde. Und so mietete ich mir ein luxuriöses Privatzimmer in einem echt süßen AirBnB in Palomino und verbrachte den nächsten Tag einfach nur im Innenhof sitzend. Ich empfing Audienzen und machte ein, zwei neue Freunde, aber mehr war nicht drin. Auch musste ich meine Weiterreise Mal planen (an alle Neugierigen und Besorgten: ich fliege erst noch nach Ecuador und werde dann, mit kurzen Zwischenstopp in Mexiko City, nach München zurück kommen).

Am zweiten Tag gesellte sich Phil noch einmal dazu, bevor es für ihn nach Hause ging (er hatte sich als Erholungsort Minca ausgesucht, was aber eher Wandern als Chillen auf dem Programm hatte, ein Fehler). So wurde es aber ein sehr lustiger Abend mit Pizza und Brownies und good-byes.

Für mich ging es dann am nächsten Morgen direkt in den Tayrona Nationalpark. Auf einem Travel Blog hatte ich gelesen, dass man sich eine (normalerweise hart umkämpfte) Hängematte vorab per E-Mail reservieren konnte. Das tat ich auch postwendend, da ich so einen ruhigeren Seiteneingang nehmen konnte und nicht in aller Herrgottsfrüh durch den Park wandern musste.

So stapfte ich den ersten Tag ca 8km zum Playa Brava, wo es deutlich ruhiger und abgelegenener als auf dem Haupttouristrand war. Ich lernte hier nette Leute beim Abendessen kennen und legte mich dann in eine Hängematte direkt neben dem Meer schlafen. Am nächsten Morgen wanderte ich teils in Begleitung, teils alleine die anderen (frequentierteren) Strände ab. Cabo San Juan sah aus wie ein Festival: ein Zelt neben dem anderen und der Strand war auch knallevoll. Trotzdem war die Natur sehr beeindruckend und einmalig, mit hellen, riesigen Steinformationen neben weißen Stränden. Die anderen Strände waren schon wieder etwas ruhiger und an ein paar Orten konnte man sicher und entspannt baden (sogar ich wagte mich ins Wasser! Lag vielleicht neben der atemberaubenden Landschaft auch an den 30 Grad im Schatten und den zurückgelegten 900hm...)

Nach insgesamt 7 Stunden laufen und 21km kam ich dann am Haupteingang wieder raus und nahm den Bus zurück nach Palomino, wo mein Gepäck und ein Freund aus dem Sprachkurs in Medellín auf mich warteten. 

In Palomino hatte ich noch einen lustigen Abend mit großem Dinner und lernte am nächsten Tag noch ein paar Jungs kennen, die gerade aus der nördlichen Wüste zurückkamen und einige Kaktusfeigen sowie witzige Stories mitgebracht hatten.

Einer von ihnen, Marco, hatte einen Mietwagen und fuhr unsere lieben Airbnb Hosts am späteren Nachmittag nach Minca, wo ich aus als nächstes hinwollte. Und so schloss ich mich der Gruppe an und fuhr mit Marco, German, Lau, Baby Balam und Hund Malaga Richtung Minca, wo ich mich wieder auf Wasserfälle und Berge freuen konnte.

Minca und Santa Marta 

Da wir aus Palomino mit etwas Verspätung starteten (3 Uhr kolumbianischer Zeit, wir kamen also erst um 5 Uhr los), war es schon dunkel, als ich in Minca ankam. Mein Hostel lag etwas außerhalb der Stadt und hieß seine Gäste äußerst ungewöhnlich willkommen: in einem kleinen Bus Häuschen an der Straße konnte man die Rezeption über ein Telefon erreichen und wurde dann von einem Mitarbeiter mit Motorrad begrüßt. Ich fühlte mich wie bei Harry Potter und war ein bisschen überrascht, dass ich nicht im Zaubererministerium landete. Im Hostel wurde mir direkt eine Wanderroute empfohlen, die an mehreren Wasserfällen und Kaffee fincas vorbeiführte und ganz nett aussah. Insgesamt sollte sie etwa 6 Stunden dauern. Ich nahm sie mir für den nächsten Tag vor und unterhielt mich noch etwas mit meinen Dorm Mitbewohnern. Am nächsten Morgen ließ ich es ruhig angehen, frühstückte nett, quatsche noch bisschen mit anderen Reisenden und Hostel Angestellten und machte mich schließlich auf den Weg, der mir empfohlen wurde. Nun war es schon gut 11:30 mittags und mir fiel ein, dass es ja auch irgendwann dunkel werden würde. Also legte ich einen schnellen Gang ein und eilte aus dem Dorf hinaus Richtung Berge. Schnell wurde mir klar, dass die 6h sehr optimistisch gerechnet wurden. Während die Zeit tickte, bewegte sich mein virtuelles Ich auf der Landkarte nur sehr schleichend, und das, obwohl ich fast schon vor mich hin joggte. 

Es ging an mehreren Wasserfällen vorbei, einer schöner als der andere - ich hatte keinen Bikini mitgenommen, da ich sonst ja nicht so die Wasserratte bin, aber auf einer so heißen Strecke und bei der Landschaft war sogar ich sold. So sprang ich einfach im Schlüpfer rein, ob nass vom Schweiß oder Wasser war dann auch schon egal.

Beim letzten Wasserfall wollte ich meinen Rucksack nicht einfach so bei den hundert anderen Touristen lassen, da ich alle meine Wertsachen drin hatte (Papa, ich habe aus deinem Strandschuherlebnis gelernt!), also entschied ich mich, Sack und Pack, durchs Wasser watend, etwas abseits und schwer erreichbar zu lagern. Dieser Teil des Plans war sicherlich sehr klug. Alles kam knapp aber sicher auf der anderen Seite des kleinen Wasserfallsees an und ich schwamm (für mich rekordverdächtige) 5 Minuten herum. Dann war es Zeit, weiterzulaufen und ich griff nach meinem Rucksack. Du ahnst es. Natürlich fiel mir alles ins Wasser, inklusive Schuhen und Socken. Ich outete mich sofort als deutsche Flucherin und erntete mitleidige Blicke meiner kolumbianischen MitplanscherInnen (das Wort Schadenfreude existiert nur im deutschen Wortschatz, und vielleicht auch nur in deutschen Herzen). Links und rechts zeigten sich helfende Arme und so schafften Rucksack und ich es ans Ufer. Und - ein weiteres Hoch auf den Fjall Raven - ALLES war staubtrocken! Und das, obwohl das ehemalig orangene Teil nun wirklich schon hart durchlöchert war (ja, Hanna, der kommt weg). Vielleicht hatten Schweiß und Sonnencreme ja alles neu versiegelt.

Mit trockenen Kopfhörern im Ohr und nun schon leicht müden Füßen machte ich mich so im Rekordtempo weiter auf den Weg ins Hostel. 28km später war ich platt, aber happy - das war eine richtig schöne, wilde Wanderung.

Die nächsten Tage ließ ich lockerer angehen. So dachte ich zumindest. Im Hostel fand ich zwei nette Mädels, die mit mir eine Kakao Tour machen wollten. Laut Google befand sich die Finca ne halbe Stunde zu Fuß entfernt. Wir machten uns auf die Flipflops. Doch schnell wurde klar: Klima und Bergsteigung waren nicht einberechnet! Wir schwitzten so sehr, dass unsere Augen vor Salz brannten. Ein kleiner Flussrinnsal bot kurze Erleichterung doch - ohweh - es waren noch einige Höhenmeter zu erklimmen. Meine irische Mitstreitern war am meisten zu bedauern, denn sie hatte sich zum Schutze der Haut für den langärmligen Look in Nachtschwarz entschieden. Schließlich kamen wir an und hatten auf alles Lust, außer Schokolade. Aber nun waren wir schon Mal da und der Fincapapa Feuer und Flamme. So stellten wir uns brav vor einen Kakaobaum und bekamen die speziellste Führung außerhalb von Querdenker - Deutschland. Verschwörungstheorien wechselten sich mit dubiosen wissenschaftlichen Statements ab. (Kakaopreise werden wegen der Korruption in Wallstreet herunter gedrückt und bei Pilzbefall ist es wichtig und extrem effektiv, die abgeschnittene, befallene Kakaofrucht mit einem losen Blatt zu bedecken, damit der Pilz sich nicht vermehrt. Die Finca hatte zwei Jahre Ernteausfälle wegen Pilzbefall. Ist Wallstreet Schuld?).

Nachdem wir unser "wir schauen einfach Mal ernst obwohl wir eigentlich vor Lachen heulen wollen" Gesicht perfektioniert hatten (das war wichtig, denn der Fincapapa bekam einen guten Close-up als er uns allen eine Kakaomaske auf die Stirn schmierte), probierten wir uns durch verschiedene Kakao-Zubereitungsweisen und wurden erfolgreich zu 100% dark Chocolate Liebhaberinnen bekehrt.


Als krönenden Abschluss gab es noch einen wunderschönen Sonnenuntergang über den Bergen, eine verblüffend italienische Pizza und (meine bucket list) eine Tasse Kakao mit Käse kolumbianischer Art in einem den Locals vorbehaltenen Mirador, den wir dank Durchfragen nachts fanden (War erstaunlich gut auch wenn's sehr in den zucker-und fettfrönenden Ernährungsplan der Kolumbianer passt.)

Santa Marta

Nach diesen schönen Tagen in Minca, definitv einem meiner Highlights in Kolumbien, hatte ich eine Nacht in Santa Marta vor mir, bevor es von hier mit dem Flieger nach Ecuador gehen sollte.

Santa Marta hatte mich schon bei meinem ersten Zwischenstopp nicht überzeugt und der zweite Anlauf änderte nichts an meinem Urteil. Mein Hotel lag nah am Touri Zentrum, aber selbst die zehn Minuten Distanz durch dunkle Straßen bewegten mich zum Umkehren. So machte ich es mir mit einem Joghurt und meinem Reiseführer im Hotel bequem (irgendwann musste ich mich ja informieren, was ich alles verpasst hatte) und verabschiede mich gedanklich von diesem blühenden, lebensfrohen Land, das mich absolut in seinen Bann gezogen hat.

Zwischenfazit Kolumbien 

Dem aufmerksamen Leser fällt sofort auf - ein Stilbruch! Dieses Unterkapitel widmet sich nicht einem Ort in Kolumbien, sondern ist ein kleines bisschen Extrawurst.

Denn Land und Menschen haben mich so begeistert, dass ich gern losgelöst vom chronologisch einschränkenden Reisebreichtstil ein paar Worte verlieren will. Wer sich schon auf Ecuador freut, kann an dieser Stelle ins Hamburger Menü springen und meiner Gefühlsduselei entgehen, alle anderen können sich nun anschnallen und stattdessen die Arepa-Achterbahn mit mir fahren.

So riesig Kolumbien ist, so verschieden sind auch die einzelnen Gebiete. Menschen, Landschaft, Essen, ja sogar die Sprache unterscheiden sich sehr.

An der Küste ist alles SEHR entspannt - ein Beispiel: wir gehen zu einer Pizzeria in Cartagena, es ist vollkommen unklar, wer hier arbeitet und wer zufällig in Hauseingang steht. Nachdem wir die verantwortliche Person ausfindig gemacht und bestellt haben, geht diese erst Mal in den kleinen Supermarkt nebenan, um die Zutaten zu kaufen. Als die Pizza 40 Minuten später erscheint, kostet sie leider 20% mehr, weil die Tomaten so teuer waren.

Ich weise darauf hin, dass die Inflation nicht innerhalb von 40 Minuten zugeschlagen haben kann, der Geschäftsmann zeigt sich einsichtig. Wir geben ihm trotzdem bisschen mehr.

Die Straßen sind laut und voller Musik, das Klima sehr heiß, die Preise sind auch etwas höher und gefühlt alles ist frittiert, ob essen oder Touristen.

In den höher gelegenen Regionen, zB rund um Medellín, merkt man schon an der Sprache und dem Klima, dass vieles anders läuft. Zum Spanisch Lernen war die Gegend perfekt, denn jede Silbe wird sehr vorsichtig und klar ausgesprochen. Die Menschen sind nicht weniger herzlich, aber etwas geschäftiger und zielstrebiger unterwegs, so schien es mir. 

Die Schönheit des Landes, der Natur, die Einstellung der Menschen, immer das Positive in jeder noch so misslichen Lage zu sehen, stehen in brutaler Parallelität mit der teilweisen hohen Armut, der Korruption (die Polizei ist hier nicht dein Freund und Helfer, wie ich lernen musste...) und der immer noch vorherrschenden Kriminalität (die ich allerdings nicht mitbekommen habe). Viele Menschen, mit denen ich mich unterhalten habe, hörten mir staunend zu, wo in ihrem Land ich schon gewesen war - haben sie selber doch teilweise kaum Geld gehabt, um ihre Stadt zu verlassen. Jedes mal fühlte ich mich ziemlich mies und begann, immer abstrakter auf diese Fragen zu reagieren. Noch nie habe ich so viel Gastfreundschaft und aufrichtiges Interesse erlebt - die Menschen auf dieser Reise standen der Schönheit der Landschaft ihres Landes in keiner Weise nach.